Die Bauerntracht der Iglauer Sprachinsel
In der "Insellage" hatte sich die
Iglauer Tracht als bäuerliches Gewand bis 1945 erhalten. Sie wurde in den nach
Jahreszeit und Anlass wechselnden Trageformen bis zuletzt als Kleidung des
Bauernstandes getragen, vor allem in Dörfern des nördlichen
Sprachinselgebietes. In der Stadt und auch in den Sprachinseldörfern, in denen
das Trachtentragen bereits abgekommen war, erlebte die Tracht in der
Zwischenkriegszeit eine Art Renaissance als „Volkstracht“ und erfreute sich
großer Beliebtheit bei Aufmärschen und Umzügen. Die Sprachinsler verstanden die
Iglauer Tracht als Kennzeichen des Deutschtums. Für viele Iglauer Bäuerinnen
war sie das einzige, was sie bei der Vertreibung mitnehmen konnten, da sie es
am Leibe trugen. Früher, zu Zeiten der altösterreichischen Monarchie, war die
Tracht jedoch das Erkennungszeichen des Standes und weniger der Nationalität.
In einem volkskundlichen Werk von 1897 (Die österreichische Monarchie in Wort
und Bild, Teil Mähren und Schlesien) wird eine Tracht der Horaken, der
tschechischen Landbewohner der Böhmisch-Mährischen Höhe, beschrieben: „Am
bekanntesten ist sie in der Umgebung von Iglau, wo sie mit kleinen Abweichungen
so auch von der deutschen Landbevölkerung getragen wird.“ Im 19. Jahrhundert
haben also auch Tschechen die Tracht des Igellandes getragen. Bis heute findet
die Iglauer Bauern-Festtracht ihre Verwendung bei den Iglauer Trachten- und
Kulturgruppen, die in der Trachtenpflege tätig sind, vor allem bei Festzügen
und Auftritten, aber auch bei Iglauer Treffen.
Die Männertracht stammt in der heute
üblichen Trageweise aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Das weiße
Leinenhemd hat weite, gebauschte Ärmel, die an ein gestepptes Schulterdreieck
anschließen und ist am umgelegten Kragen gefältelt. Vorn aus dem Kragen guckt
der Knoten des seidenen Halstuchs heraus. Die Farbe kornblau-weiß verwenden die
ledigen Burschen, rosa-weiß tragen die Verheirateten. Bei Trauer ist das
Halstuch schwarz. Die schwarze ärmellose Samtweste, die auch mit Blümchenmuster
bestickt sein kann, ist zweireihig mit Reverskragen, an den Rändern mit einer
schwarzen Borte benäht. Die schwarze lange Stiefellederhose ist aus Hirsch-
oder Schafsleder mit mäandernden Ziernähten seitwärts und auf dem Hosentürl,
die schweren Bauernstiefel sind aus schwarzem Leder mit steifen Schäften.
Früher gab es sie auch mit faltigem Knöchelteil oder als Stulpenstiefel. Als
Kopfbedeckung dient das runde „Vetternkappl“ aus dunkelblauem Samt, füher gab
es auch Dunkelgrün. Zur „großen Festtracht“ trug der Iglauer Bauer auf dem Kopf
einen schwarzen Filzhut aus
Hasenhaarfilz mit breiter runder Krempe und einer Quastenschnur als
Verzierung. Über der Weste wurde eine blaue kurze Tuchjoppe, das „Leibl“ oder
„Frackl“ getragen, wie die Weste zweireihig mit Reverskragen. Bei besonders
würdigen Anlässen trug man über der Kleidung noch den weiten „Radmantel“ aus
schwarzem, glattem Tuch mit aufgestellter Halsleiste, von der der Kragen bis in
die Hälfte des eigentlichen Mantels herabfällt.
Für den Alltagsgebrauch verwendete man zur
Arbeit auch blaue Leinenschürzen mit Brustlatz zum Schutze der Kleidung. Im
Stall trug man Holzlatschen mit gewolmtem Vorderfuß oder Filzpotschen, die bis
in die halbe Wade reichten. Für den Winter gab es den „Pover“, einen warmen
langen Tuchrock in blau oder braun, hochgeschlossen, mit kleinem Samtkragen und
rot gefüttert. Dazu setzte man eine schwarze Lammfellmütze auf, die „Baatzn“.
In ihren Grundzügen zeigt die Iglauer
Männertracht enge Verwandtschaft zu vielen anderen Trachtenlandschaften
Mährens, vor allem zu Südmähren, Brünn, Wischau, aber auch zum Egerland, zur
Oberpfalz und Niederbayern. Um 1850 sah die Iglauer Männertracht noch ganz
anders aus: Die Weste war rot, einreihig mit engstehenden Silberknöpfen,
darüber grünseidene Hosenträger. Die schwarze oder naturgelbe Lederhose ging
nur bis unters Knie, dazu trug man
hellblaue Kniestrümpfe und schwarze Schnallenschuhe. Der Hut hatte eine große
längliche Tellerkrempe, mit einem breiten Seidenband geschmückt. Die blaue
Joppe hatte keinen Kragen und war mit einer Reihe großer weißer Knöpfe
versehen, die jedoch nicht zum Zuknöpfen dienten.
Die Frauentracht geht auf viel ältere
Ursprünge zurück, als das Gewand noch nicht geknöpft, sondern durch Bänder
gehalten wurde. Sie lässt sich bis ca. 1800 zurückverfolgen. Die weiße
Leinenbluse („Kitterl“) hat kurze, gebauschte Ärmel, die an den Oberarmen von
einem farbigen, meist roten Band gehalten werden. Den Halsabschluss bildet ein
runder weißer Spitzenkragen, das „Überschlägl“, der beim Stärken mit einer
Brennschere gefältelt wird. Das reichgeblümte Mieder („Stingerleibl“) wird
vorne über der Bluse mit einem roten Moireeband im Zickzack geschnürt
("Hinawider"). Es gibt Leibln mit Seide- oder Piqueeboden,
Lameeboden, „halbseidene“ mit Brokatmustern oder „Tibetleibln“ aus Schafwolle.
Die Miederfarbe ist weiß, gedeckt, grün oder blau, für die Trauer schwarz bzw.
mit schwarzem Blumenmuster. Das Muster der Blumenranken ist eingewebt oder
aufgestickt, zieht sich vorne seitlich bis zu den Schultern hoch und bildet am
Rücken ein Lebensbaum-Motiv. Am unteren Rand des Mieders sind rundherum kleine
längliche, mit Stoffresten ausgestopfte Säckchen angenäht, auf denen der Rock
aufsitzt. Der weite Rock ist aus schwerem, steifem Wollstoff ("Scharkarock"),
aus acht Blättern von je ca. 80 cm Breite genäht, in den Farben
"blent" (hellblau), dunkelblau oder schwarz, am Saum durch ein rotes
Innenband verziert. Die Röcke werden den Blättern nach zusammengelegt liegend
aufbewahrt. Die Schürze („Firsteck“) ist bei den Mädchen aus weißem Leinen mit
Spitzenbesatz, die der Verheirateten dunkel- oder hellblau, schwarz oder
kupferfarben. Das Leinengewebe ist sehr dicht und glänzt, nachdem es mit einem
Glaspilz, dem „Schürzenhobel“ auf harter Holzunterlage geglättet wurde. Der
untere Rand ist ca. 10 cm eingeschlagen und mit einer bunten Ziernaht fixiert.
Um die Taille wird ein 5 cm breites Moireeband in weiß, hell- oder dunkelblau
gebunden, so dass es rückwärts über den Rock in einer langen Masche herabfällt. Auffällig sind die
leuchtend orangeroten Strümpfe, die aus roher Wolle gearbeitet, gewalkt und
anschließend gefärbt werden. Beim Färbevorgang werden die Strümpfe an den Enden
abgebunden, wodurch batikartige hellere Stellen an Bund und Zehen („Blatschen“)
entstehen. Man färbte sie früher mit Cochenille und Kreuzbeeren, anschließend
wurden die Strümpfe zum Fixieren der Farbe in Urin getaucht, der dazu im so
genannten „Gsachle-Fassl“ gesammelt wurde. Später wurde hierzu Scheidewasser
(verdünnte Salpetersäure) benutzt, ehe sich die Verwendung von Anilinfarben
durchsetzte. Die Schuhe sind schwarze Halbschnürschuhe aus Samt, Leder, Lastin
oder Tuch. Über dem Leibl kann eine Joppe („Frackl“) aus Tuch, Stoff,
Kunstseide oder Waschgewebe getragen werden. Die Farbvarianten sind vielfältig:
grün, weinrot, hellblau, schwarz, gestreift, beige. Das Brustteil ist
kästchenartig gezogen, der Rücken tailliert, den Abschluss bildet ein ca. 15 cm
breites Schößchen. Die Ärmel sind hochgezogen und leicht gebauscht, Sattel und
Unterärmel sind mit Spitzen, Samt und Borten benäht. Das Frackl selbst hat
keinen Kragen, vielmehr kommt oben das „Überschlägl“ der Bluse darüber.
Charakteristisch ist auch das große Kopftuch
(„Ruschtuch“) 160 cm im Quadrat, hochrot, schwarzhochrot, schwarzgeblumt oder
rotgekreuzelt, mit einem gedruckten Blumenmuster am Rand, das kunstvoll nach
"altdeutscher Bindeart" um den Kopf geschlungen wird, so dass der
Zipf weit über den Rücken herabhängt. Die Enden werden über die Stirn geführt
und in zwei Rosen festgesteckt. Für die Trauer gibt es das Kopftuch in schwarz
mit blauen Blumen und braunen Verzierungen. Ist es kühl, schlägt die Bäuerin
über das Frackl das „Tibettuch“, um die Schultern, ein dünnes feines
Schafwolltuch mit Fransen und bunter Kante mit Blumenmuster, ebenfalls 160 cm
im Quadrat. Auch in der Wischauer und Brünner Sprachinsel sowie im
Schönhengstgau finden sich die gleichen Strümpfe und Kopftücher.
Außer dieser Festtagstracht gab es früher
einfachere Trageformen, die werktags in Gebrauch waren. In der Trauer, der
Fastenzeit und im Advent stellte die Tracht auf dunkel um. Zum Erntedank zogen
die mit Sträußen geschmückten Erntegänger mit allerlei Feldfrüchten, Speisen,
Gerätschaften und Werkzeugen zum Festplatz, die Frauen und Mädchen trugen statt
Kitterl und Leibl kurzärmelige, ungefütterte Frackln aus Leinwandzeug und statt
des langen roten Kopftuches kleine weiße Kopftücher, wie sie auch zum Tanz und
bei der Kirchweih („Kirwa“) üblich waren.